Kapitel dreiundzwanzig ... Spurensuche

Veröffentlicht am 21. Februar 2024 um 11:29

wenn ich jetzt schon ein wenig ohne Antrieb bin. wie kann ich dann schreiben? es mag für Außenstehende schwer zu verstehen sein. selbst mir fällt es nicht immer einfach Zugang zu mir zu finden. mir eben auch zuzugestehen der Depression das Kommando überlassen zu haben. fängt es doch meistens recht harmlos an. man bleibt eben etwas länger liegen. drückt den Wecker noch einmal ab. doch wurde sie Saat schon ausgetragen. und jetzt ist sie gekeimt. sprießt und drängt ans Licht. im Gegensatz zu anderen positiven Dingen hat sie leichteres Spiel, weil ihr eine Kraft innewohnt, die ich nicht zu bändigen weiß. es wie schon angemerkt auch nicht will. doch so wirklich steuern kann ich es eben nicht. so dauert es auch immer ein wenig bis ich mir dessen bewusst werde. habe ich es mir doch mit der Zeit angelernt Dinge zu überspielen. sie auszublenden und nicht wahrhaben wollen. letzteres hat sich schon etwas gebessert. und trotzdem erliege ich von Zeit zu Zeit diesem Bann. der mich an die Couch fesselt. mich fast all meiner Energie beraubt. meines Antriebes. meines Appetits. meiner Lust Musik zu hören. und der Lust sowieso. ich bin nicht erreichbar. nicht verfügbar. physisch zwar irgendwie noch anwesend. aber eine träge Masse, die, wenn es nicht von alleine geschehen würde, selbst die Atmung auf ein Mindestmaß reduzierte.

zwar habe ich Zugriff auf die schöpferische Kraft, die meinen depressiven Episoden innewohnt. doch braucht es noch viel mehr Kraft den Zugriff darauf zu erlangen. vielleicht fände ich auch das was nötig wäre um ins Büro zu fahren. doch wäre es nichts anders als eine Dosis Betäubungsmittel und ich nicht wirklich bei der Sache. ich mache es gerne. doch habe ich auch das Gefühl fehl am Platz zu sein. bin zwar nicht so gedankenverloren wie noch vor Jahren, aber auch nicht wirklich immer vor Ort. das bin ich eigentlich so gut wie nie. ein unruhiger Geist. stets getrieben. beim Schreiben bin ich ja noch so halbwegs konzentriert. aber selbst jetzt will der Kopf, daß ich mich mit noch ein paar anderen Dingen beschäftige. es gibt ja immer etwas zu tun. nur ist es ziemlich schwer, wenn man kaum Antrieb dazu hat. zwei Leinwände wollen nicht länger weiß bleiben. dafür will die Wäsche seit Tagen wieder sauberer sein. zwei Tätigkeiten die nicht zeitintensiv sind. dennoch bleiben sie unerledigt. bis auf weiteres ausgesetzt. ich könnte jetzt das Notebook zur Seite stellen und mich eben anderem widmen. aber sollte ich nicht irgendwann einmal damit beginnen Eines nach dem Anderen fertig zu machen, anstatt als Nichttänzer auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu wollen. das kann nicht funktionieren. deshalb sind bis jetzt auch noch alle Versuche gescheitert. über die Jahre hinweg wird man darin ziemlich gut. immer besser. der Routine sei dank. doch es ist so wie bei den meisten Beziehungen die scheitern. wenn man immer das selbe macht. nie eine Variable austauscht. braucht man nicht am Ende dastehen, sich wundernd warum es eben wieder nicht geklappt hat. so man auch seines Glückes eigener Schmied ist. kein Eisen schmiedet sich von allein. man muss schon etwas dazu beitragen. selbst wenn man sich dazu, wie ich, ein wenig zwingen muss. es ist nur immer dieser erste kleine Schritt. die Frage ist nur welche Richtung man einschlagen will. nach vorne. seitwärts. rückwärts. oder ganz neu im Angebot. nach Innen. nein. das hat nichts mit "in sich zu gehen" zu tun. es gibt da einen zwar nur ganz kleinen Unterschied in der Schreibweise, doch der macht alles anders. wenn man es zulässt "ins Ich zu gehen".

ich bin mir gar nicht sicher, wann ich das letzte Mal dort gewesen bin. ob ich schon jemals bewusst den Ort meines tiefsten Selbst aufgesucht habe. kenne ich den Weg? was habe ich dort verloren. habe ich dort etwas verloren. war es. ist es schon immer da. kann ich dann auf der Suche nach mir selbst sein. zu mir selbst finden. die Torwächter überwinden, die behaupten ich könne nicht vorbei, weil der Weg sei versperrt. sind es nur Täuschungen. rede ich mir meine Depression nur ein, weil ich einen Schutzmechanismus vor meinem eigensten Ich brauche? nein. mit Bestimmtheit. meine depressiven Zustände sind nur die Wirkung anderer Ursachen.

manches das verdrängt wurde. beiseite geschoben wird. von Dingen die bewusst in den Tiefen des Bewusstseins vergraben wurden. zum Teil auch dessen was willentlich oder eben auch nicht im Unterbewusstsein verborgen liegt. und dann gibt es da noch das Andere. die Summe von all Jenem, daß noch unbekannt ist. den Dingen, derer man sich nur bewusst wird, wenn man sich ins Ich begibt.

ein leicht beklemmendes Gefühl breitet sich unter meiner Brust aus. will ich es wirklich wagen. soll ich es wagen. kann ich. darf ich. doch muss ich! zu lange schon suche ich nach Ausreden. zu lange schon spiele ich eine Rolle die mir nicht liegt. zu lange schreibe ich nicht das was ich schreiben sollte. nicht einmal einen Teil dessen was ich kann. es ist eben nur ein zögerliches Abtragen oberer Schichten der obersten Schicht.

es ist ja so auch viel bequemer. auf der Couch. im safe space. in meiner (un)Komfortzone. nichts kann mir geschehen. welch Trugschluss. denn hier kann nur mir etwas geschehen.

das Schreiben funktioniert deshalb relativ gut, weil es befreiend ist. etwas von der Last nimmt über die ich schreibe. weil ich eben darüber schreiben kann. und das erste Worte ist wie ein erster Schritt. es mag zwar nicht "das Heilmittel" sein. aber ein gutes Arzneimittel. ein Katalysator. eine Starthilfe. ein Stein des Anstoßes. der manches ins Rollen bringt, ehe sich wieder ein anderer, größerer Stein in den Weg legt. doch ist dann zumeist das passende Werkzeug nicht zur Hand, das diesen Stein wieder zerlegen könnte. und es schiebt sich an wieder von vorne zu beginnen. ein Kreislauf. eine Routine. doch kann es nicht. so darf es nicht sein, daß ich immer nur dann schreibe wenn es mir entweder ziemlich gut oder eben entgegengesetzt doch eher schlecht geht. doch da es auch im Negativen immer etwas Positives gibt, kann ich festhalten, daß ich eben auch dann schreiben kann. dunkle Materie. wenn ich dabei noch Erleuchtung finde...

ich bin zwar, so glaube ich zumindest, kein Energievampir. doch ziehe ich meine Stärke aus anderen. anderen Quellen die auch Licht aus der Dunkelheit schufen. wie viele Musiker sind oder waren schwer depressiv. wahrscheinlich konnten sie nur auf Grund dieser Tatsache ihre volle Schöpfungsgabe entwickeln. Lieder welche die dunkelsten Seiten unseres Daseins vor uns ausbreiten. und trotzdem Alles andere als genau dieses ausstrahlen. so wirken sie auf mich. auch wenn sie es vielleicht nicht immer taten. es gab Zeiten wo sie das Schwarz noch schwärzer machten. wo die Traurigkeit die von diesen Werken ausging nur noch mehr Tristesse erzeugte. nur ändern sich die Zeiten. man bekommt einen gänzlich anderen Zugang. ein anderes Verständnis. eine neue Sichtweise. Erkenntnis.

ich habe keine Ahnung wer all das was ich geschrieben habe, schreibe und noch schreiben werde lesen wird. und welche Wirkung es haben wird. ob es leere Worte sind. oder ob jemand daraus Kraft schöpft. den Kopf schüttelt. neue Wege findet. die Art und Weise wie ich schreibe bekrittelt. ist auch vollkommen egal. für mich selbst ist es eben befreiend, auch wenn ich mich zur Zeit noch selbst in einer Zelle aufhalte

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