Kapitel zehn - Reflexionen

Veröffentlicht am 15. August 2023 um 12:07

ich hab jetzt eine Woche Urlaub. also auch etwas mehr Zeit um zu schreiben. doch nicht nur dafür. eigentlich wäre es an der Zeit, über eben jene von vor sieben Jahren zu reflektieren. ich habe das wirklich nie gemacht. habe es nicht auf die lange Bank geschoben oder so. es war einfach nicht die Zeit. ob sie es jetzt ist? wer weiß das schon. doch jetzt böte sich die Gelegenheit. und noch etwas mehr.

wenn man mich schon von Zeit zu Zeit um Rat fragt, dann sollte ich selbst auch mit guten Beispiel vorangehen. und so manches was ich anderen an Ratschlägen erteile auch selbst anwenden. vor allem. es wurde mir ja jetzt schon von mehreren Seiten gesagt, daß ich Dinge zu sagen habe. wenn es doch nur so einfach wäre. auch wenn es mir jetzt leicht fällt und manch Dinge zu sprechen, war es lange Zeit nicht annähernd so. es gab Zeiten in denen ich wirklich mit niemanden mehr als nur ein Wort gewechselt habe. weil ich mich eben immer weiter in meine Höhle zugezogen habe. den Weg versperrte mit Türmen aus Bierdosen. die waren leichter zu transportieren. ich habe ja doch über siebzig Stufen zu überwinden, bevor ich in meine Wohnung gelange. nur wie konnte es überhaupt so weit kommen? so etwas passiert mitunter dadurch, wenn man mit sich hadert. und hey! ich bin mittlerweile glücklich nicht schon früher Schlussstriche gezogen zu haben. Kipppunkte waren viele ja. die Zeichen standen oft schlecht. nur war ich immer zu bequem. bin es jetzt auch noch. manchmal. doch ließ ich all die Gelegenheiten an mir vorüberziehen. ich gebe auch unumwunden zu, daß ich dem Alkohol nie abgeneigt war. ist er doch auch sehr in unserer Kultur verankert. ein Thema, dem man ein eigenes Kapitel widmen könnte. dazu kommt noch, daß ich auch noch ein emotionaler Mensch bin. auch wenn ich manch Gefühle nicht zeige. wird einem doch eingetrichtert. ist es einem doch eingetrichtert worden, daß dies unmännlich sei. nicht daß ich es gut heiße, all seine Emotionen jetzt offen zur Schau zu tragen. nur weil es jetzt vielleicht gerade hipp ist. nur. man sollte sich selbst treu sein. sich nicht verbiegen. da man früher oder später daran bricht. wenn man darüber hinaus auch nie lernt über seine Gefühle zu sprechen. ja dann. landet man, wenn man all diese Zutaten zusammenfügt, landet man in einem Standmixer, der alles in einem Strudel nach unten zieht. da gibt es dann kein Entkommen. der Sog reißt dich einfach unaufhaltsam mit. vor allem dann, wenn die Menge unüberschaubar geworden ist. aufgestaut. angesammelt.

was aber jetzt nach sieben Jahren auch keinen Sinn machen würde, wäre es nach Beantwortung der Frage, wer Schuld trägt, zu suchen. sagen wir mal so. es war ein großes Bauvorhaben,  an dem Viele mitgearbeitet haben. doch ich war der Projektleiter. niemand trägt alleine Schuld. doch jeder ist für sich selbst verantwortlich. ein diplomatischer Ansatz. doch, so finde ich, ein richtiger. man muss die Konsequenzen seiner Entscheidungen selbst tragen. weil man aber die Last der Welt nicht alleine schultern kann, werden die Konsequenzen weiter verteilt. sollen ja andere auch etwas davon haben.

konsequenterweise führten mich all meine Entscheidungen auf den Weg der Alkoholabhängigkeit und der Depression. doch wie gesagt. all dies, was am Ende dazu geführt hat, waren Entscheidungen die sich, im Nachhinein betrachtet, als richtig erwiesen. fragte man mich aber, ob ich es noch einmal so machen würde.

offensichtlich habe ich auch einen leichten Hang zum seelischen Masochismus. anders lässt es sich nicht erklären, warum ich noch immer dort arbeite wo ich begonnen habe. und das sind jetzt schon dreißig Jahre. viele Male habe ich mir gesagt, daß ich kündigen werde. doch jedes Mal ließ ich die Fristen verstreichen. nach so langer Zeit wird es zum Alltag. zur Routine. man lernt damit zu leben. mit dem Fehlen von Wertschätzung. und ja. ich will es auch nicht abstreiten. habe es auch offen und ehrlich zugegeben. manchmal habe ich keine Lust auf die Arbeit. auch mache ich Fehler. doch nicht absichtlich. so sehr ist die masochistische Ader nicht ausgeprägt, als daß ich darum bettelte für meine Fehler getadelt zu werden. doch wenn man die meiste Zeit nur diese eine Seite vermittelt bekommt, dann geht auch nicht spurlos vorüber. man hat aber auch nichts von falschem Lob, der Heuchlerei gleicht. da fühlt man sich erst recht verarscht. doch ehrlich gemeinte Anerkennung. es ist vielleicht nicht etwas wonach wie streben sollten, würde sich ja auch in einem Widerspruch auflösen. doch Anerkennung und Wertschätzung sind etwas Essentielles. man sagt zwar das Eigenlob stinke. doch würde man sich nicht von Zeit zu Zeit selbst auch die Schultern klopfen?  doch wie gesagt. ich habe mich mittlerweile damit arrangiert. wie auch mit den meisten anderen Dingen. weil ich meinen Wert kenne. doch es gab Zeiten, in denen mir das sehr zu schaffen machte. ach hätte ich die Zeichen doch erkannt. ich bleib der Arbeit fern. ich blieb eigentlich allem fern. und entfernt mich auch noch von mir selbst. waren das schon erste Anzeichen von psychischer Problematik? will ich jetzt so sehr reflektieren? vielleicht war ich einfach nur ein sturer Bock. beleidigt. gekränkt. weich. verletzt?

jetzt bin ich noch immer dort. noch immer verspüre ich manchen Tagen keine Lust zu arbeiten. doch das ist dann doch dem leichten Hang zur Depression geschuldet, der ich doch von Zeit zu Zeit Einlass gewähre. es ist eben ein Teil von mir. er haftet mir an. 

doch eines. man hat mir auch nie gekündigt. trotz all meiner Fehltritte. trotz meiner Frechheit. dem Zynismus, der übleren Sorte, den ich manchmal von der Leine ließ. vielleicht ist sie ja das. die Wertschätzung. verdeckt. versteckt. verborgen. weil dies ja auch zu den Dingen gehört, die man nicht wirklich beigebracht bekommt. doch sind wir lernfähig. wenn auch manche wirklich lernresistent. wir können Dinge ändern.

ich weiß auch was ich im Bezug auf die Arbeit ändern sollte. doch das ist ein schwieriger Prozess. zwar nehme ich Tabletten, um geistig nicht an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. nur gelingt mir mir trotzdem nicht immer nur an einem Ort zu verbleiben. ich bin wirklich manchmal fern der Konzentration. schalte meine innere Uhr auf beschleunigte Rotation des Ziffernblattes. verfalle dem Stress. und werde fehleranfälliger. ich habe zwar mittlerweile meine Gedanken zumeist auf einen Punkt gerichtet. nur der Kopf möcht beiweilen trotzdem anderes gleichzeitig tun. da helfen aber leider keine psychopharmakaischen Pillen. es ist eine Lektion, die man sich selbst beibringen muss. könnte ja was darüber lesen. oder vielleicht gibt es doch etwas von Dr. Böhm.

sicher. ich könnte noch immer einen Arbeitsplatzwechsel anstreben. das kann man immer. nur. dann muss man sich auch bewusst mit all den möglichen Konsequenzen auseinandersetzen. auch wenn die einzige Konstante die Veränderung ist, sollte man einen solch großen Schritt wirklich gut überlegen. einen Schritt, den ich aber schon einigen zu Herzen gelegt habe. eben aus meinen Erfahrungen heraus. wenn die Arbeit der offensichtlichste Faktor einer seelischen Belastung ist. einer Belastung die dann wirklich in letzter Konsequenz in schweren Depressionen, Burn-Out oder einer Abhängigkeit von Suchtmitteln endet. oder den Weg offenkundig in diese Richtung weist. dann sollte man wirklich überlegen einen Schlussstrich zu ziehen und die Flucht ergreifen. anders gesagt. sich zurückziehen. wirklich das Handtuch werfen. zum Schutze seiner selbst. doch allem Anschein nach wollen die meisten dennoch nicht auf mich hören. obwohl ich ein Lied davon singen kann. was sage ich. ein Buch darüber könnte ich schreiben. ach ja. bin ja gerade mittendrin.

bei mir war die Arbeit ja auch einer der Bausteine des Leidens meiner Seele. doch frei nach Goethe. selbst aus Steinen die in den Weg gelegt werden, kann man schöne Dinge bauen.  es wird mitunter etwas dauern. und so manch Konstruktion wird zusammenbrechen. aber mit der Zeit kommt die Erfahrung. und auf die kann man dann wirklich bauen. wenn ich schon dabei bin Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. man auch aus Negativen Positives ziehen kann. so kann man aus mehr Steinen, und es werden früher oder später von Tag zu Tag mehr Steine. so kann man etwas Größeres bauen. etwas stabileres. oder ganz einfach den Turm. die Mauer. egal was man errichtet hat. es einfach niederreißen. sich befreien. am Ende ist ja an einem selbst zu entscheiden, was mit den verfestigten geologischen Formationen zu geschehen hat. nur kann man ihnen nicht auf Dauer ausweichen. irgendwann muss man sich stellen. 

 

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