Kapitel neunzehn - jetzt erzähl mal

Veröffentlicht am 15. Januar 2024 um 18:57

ich habe einmal darübergeschlafen. deshalb finde ich mich aber nicht gerade im Bett, David Bowie hörend, dabei über dieses Warum zu schreiben. es ist ja nicht so, daß ich keine möglichen Erklärungen dafür parat hätte. jeder Ansatz hat etwas für sich.  und ich brauche eh noch einiges an Worten ehe ich daran denken kann, etwas an einen Verlag zu schicken. es folgen also im Folgenden sinnentleerte Worthülsen. Zeilen ohne Inhalt mit Satzkonstrukten die Beistrich um Beistrich um Beistrich in die Länge gezogen werden. oder auch nicht. ich kann das ja auch gar nicht. kein Roman wird von mir geschrieben werden. zumindest kann ich es mir nicht vorstellen. was ich mir aber vorstellen kann ist warum ich jetzt beginne meine Ziele größer zu stecken. wie erwähnt gibt es mehrere Beweggründe dafür. der erste davon ist wunderbar einfach und sehr präzise formuliert. lässt keinen Zweifel zu. und keine weiteren Fragen auf die ich antworten müsste.

weil ich es kann!

ein mögliches Zugeständnis an ein zu viel von Selbstvertrauen, maßloser Selbstüberschätzung. mag sein. doch wenn ich ein wenig mit dieser Aussage spiele. ich kann zur Zeit nicht das Gegenteil behaupten. vor allem nicht nachdem ich mich ein wenig mit der Routenplanung beschäftigt habe. es gibt ja ein paar Programme mit denen man sich Routen erstellen lassen kann. also schnell mal Völkermarkt eingeben und dann noch Bled. den Startknopf drücken. ungläubig auf das Ergebnis blicken und beginnen Alles zu hinterfragen. einhundertfünf Kilometer. gut. kein Problem. dreitausendeinhundert Höhenmeter. schluck. Schock. echt jetzt? niemals. verdammt. ich hab dann angefangen die Stecke in Abschnitte aufzusplitten. das Endergebnis lieferte immer Zahlen im Anstieg aus, die manch Rundfahrtsetappen würdig wären. da beginnt man dann doch recht schnell sich in Zweifel zu ziehen. das "weil ich es kann" begibt sich dann unauffällig in den Rückzugsmodus. keine Ahnung wie oft ich verschiedene Routen erstellte. es war nie die Distanz, doch immer die Höhenmeter die mich doch etwas resignierend auf den Bildschirm starren ließen. es dauerte zwar ein wenig. doch irgendetwas konnte bei den Berechnungen nicht stimmen. ja. ich hätte schon von Anfang an das Ergebnis genauer unter die Lupe nehmen sollen. dann hätte ich aber weniger zu schreiben gehabt. keine Angst. ich werde jetzt nicht anführen welche Abschnitte ich mir dann anschaute. wie hoch ich an jenen hinauf müssen hätte. zumindest. es gibt ja so ein Höhendiagramm. welches an einer Straße die nur nach oben führt eigenartige Zick-Zack-Linien in der Darstellung zeigte. so sehr ich auch in meinen Erinnerungen kramte. der Verlauf am Monitor ähnelte in keinster Weise dem in der Natur. ein Gefühl von Erleichterung breitete sich aus. und von Ärger. hätte mir doch ein wenig Kopfzerbrechen ersparen können. hinterher ist man meistens klüger. wie dem auch sei. es geht ja um das Warum.

wenn man sich ab einem bestimmten Alter Anzeichen für leichten Größenwahn mehren, könnten das durchaus auch die ersten Vorboten einer nahenden Midlife-Crisis sein. vielleicht ist es das. nur? woran merkt man(n) das. ich hatte ja noch keine. Panik! da gibt es doch sicher Bücher darüber. Dr. Google weiß auch bestimmt Rat. und wenn nicht er. wer dann? die Telegram-Gruppe der durchs Mittelalter geschüttelten, graugeschläfeden Männer mit sich zurückziehenden Haaransatz, vermindertem Selbstgefühl, doch steigendem Bauchumsatz. und wenn es die nicht gibt dann bestimmt etwas von Ratiopharm oder Dr. Böhm. es kann auch sein, daß bei all den Krisen die ich in meinem Leben schon, manche eher schlecht als recht, meisterte ich von dieser gar nichts mitbekommen habe. oder sie hat mich schlichtweg übergangen, weil bei mir eh nichts zu holen sei. möglicherweise kommt sie auch erst mit Verspätung, weil ich für mein Alter noch viel zu jung bin und mir dadurch einen unfairen Wettbewerbsvorteil ihr gegenüber verschafft habe. es läge also im Bereich des Möglichen. doch ziehe ich es zum jetzigen Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen nicht in Betracht.

andere Optionen erscheinen mir selbst weit schlüssiger. es ist ja auch wirklich so, daß ich es jetzt kann. das liegt zu einem darin, daß ich früher kein Rennrad hatte. zwar war mein 29er-Hardtail kein langsames Rad. aber mir wäre so etwas gar nicht in den Sinn gekommen. selbst wenn. ich war eine lange Zeit nicht Herr meiner selbst. habe jahrelang vergessen, daß mich überhaupt gab. was ja mitunter auch einer der Gründe war von Depressionen und Alkohol unbarmherzig ausgenutzt zu werden. also die Beiden im Verbund. ein dynamisches Duo. man selbst bleibt jedoch verlassen zurück. es war mir also über Jahre hinweg auch gar nicht möglich solche Abenteuer in Angriff zu nehmen. der Alkohol hätte mich vielleicht nicht davon abgehalten. oft genug bin ich unausgenüchtert, halbschwer verkatert auf Wanderschaft gegangen oder war mit dem Mountainbike unterwegs. man leidet. auf jenen Fall die erste, zweite Stunde. tut Buße wenigstens der Sündhaftigkeit des Vorabends, der Nacht und des Morgens wegen. dumme Ideen hatte ich in diesen Jahren zur Genüge. aber eben dumme. das ist auch kein Prozess den man von gestern auf heute umkehren kann. es braucht seine Zeit. und davon bleibt wenig um sich über Dinge wie Weitwandern oder Mehr-Tages-Touren mit dem Rad Gedanken zu machen. der Horizontbeginnt sich aber zu weiten. in der Ferne lässt sich mehr ausmachen als in all der Zeit davor. zwar bringt dich kein Schritt nach vor dem Horizont wirklich näher. er verschwindet aber nicht mehr. selbst dann nicht wenn du mal wieder eine Reise in den Schatten hinter dir hast. denn das Licht am Ende des Tunnels kannst du erreichen. wieder am Licht wartet der Horizont. selbst dann wenn du wieder mal ins Dunkel tauchen musst oder ein tiefes Tal dir die freie Sicht zu nehmen scheint. der Horizont wird nicht weichen. egal wohin du dich drehst. er folgt dir. oder folgt man ihm. wer weiß das schon genau.

mein Horizont war wieder größer geworden. die Ziele in der Ferne noch unklar. welchen Weg sollte ich einschlagen. vorwärts. auch wenn man ab und an einen Schritt zurück machen muss. ich bin mir auch vollkommen bewusst den Horizont niemals erreichen zu können. wer sich etwas anderes einreden möchte darf das gerne tun. ich werde niemanden davon abhalten oder vom Gegenteil überzeugen. wenn aber Redebedarf bestehen sollte...

mit der Zeit wurde mein Blick geschärfter. die Kraft die mir inne wohnte kehrte auch wieder in ihr Zuhause zurück. der Drang vorwärts zu schreiten musste nicht erst künstlich in Gang gesetzt werden. es ergab sich einfach von selbst. und trotzdem hatte ich noch nicht das Gefühl verspürt Größeres zu unternehmen. es gab zwar gelegentliche längere Ausfahrten mit dem Rad. die sich aber nur über einen Tag erstreckten. es gab auch keine Wanderurlaube oder Ähnliches. ein Tag auf den Beinen. den ganzen Tag auf den Beinen. am Ende des Tages war ich wieder dort wo ich begonnen hatte. zu Hause. eine kurze Flucht aus dem alltäglichem. es waren jedes Mal wunderbare Erlebnisse. nur das Gefühl immer wieder jedes Mal zum Ausgangspunkt zurückzukehren. das wird mir eben jetzt erst bewusst. das ist am Ende, egal wohin die Reise ging, nichts anderes als eine Routine. ein wenig Freigang mit Fußfessel. ich liebe es heim zu kommen. werde ich doch jedes Mal von meinem Kater Shakespeare begrüßt und bekomme Liebe, Wärme und Zuneigung. ich hab nur manchmal, in letzter Zeit öfters das Gefühl, daß auch er sich nach etwas anderem sehnt. der Unterschied zwischen uns beiden ist der, daß er immer noch, wenn ich meine Füße schon in die Wohnung gesetzt habe, zur Tür hinaus blickt, hoffnungsvoll, ob da nicht vielleicht auch jemand anders ist. er braucht etwas mehr Nähe. und ich will weg. 

ich kann mir aber nicht vorstellen eine Woche fort zu sein. er würde mir zu sehr fehlen. gewiss empfindet er gleich. wenn man viele Jahre miteinander verbringt dann baut man eine Bindung zueinander auf, vor allem dann, wenn das Schicksal seine Finger im Spiel hat. es konnte nicht anders kommen als daß wir beide einander finden. ja. ich weiß. ich schreibe von meinem Kater.

außerdem. ein Woche Urlaub. Urlaub im Generellen ist zur Zeit für mich nicht finanzierbar. aber ein zwei Nächtigungen irgendwo am Weg. das Warum nähert sich. weil ich es kann. ich weiß, daß Shakespeare auch zwei, drei Tage ohne mich aushält. er wird vielleicht sogar froh darüber sein. und für eine Nacht kann ich ihn auch alleine lassen. er wird nicht Hunger leiden oder verdursten. ich habe und hätte deswegen auch kein schlechtes Gewissen. erntete deshalb auch keine vorwurfsvollen Blicke seinerseits. so ein klein wenig Distanz schadet nicht. bei drei Tagen wird es schon etwas schwieriger. da bekommt er dann Besuch. und die meisten Vorhaben meinerseits veranschlagen zumindest drei Tage. manches davon will ich gemeinsam mit anderen Menschen machen. anderes alleine, eben um mit mir selbst zu sein. ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sich jemand mit mir rennradelnd auf den Weg von Kärnten nach Slowenien macht. und dann im Weiteren von Slowenien über Italien wieder zurück nach Kärnten. habe aber zu diesem Zeitpunkt auch noch niemanden gefragt. bin ja noch in der Planungsphase. und auch selbst noch auf der Suche nach dem Wieso eigentlich. ein Grund ist eine ganz andere Wahrnehmung von Landschaft wenn man langsamer unterwegs ist. zwar kann man bei einer Fahrt mit dem Auto auch Gegend schauen. nur sollte der Blick trotzdem eher auf die Straße und den Verkehr gerichtet sein. dem könnte man entgegenhalten, daß man beim Rad fahren noch konzentrierten sein sollte. vor allem bergab. stehen bleiben wo es mir beliebt ist mit dem Auto schon schwieriger. mit dem Rennrad ist es ein leichtes. der Fahrtwind. die frische Luft. das Bewusstsein etwas aus eigener Kraft geschafft zu haben. die Entschleunigung. das sind doch viele gute Gründe. es kann auch sein erst danach zu wissen warum ich es gemacht habe. aber es steht so gut wie fest, daß ich es machen werde.

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